Nach einer bemerkenswerten Saison 2014/2015 und einem genauso bemerkenswerten Abitur wechselte Till Pape im Sommer nach Ulm, um im NBBL-, Regionalliga- und ProB-Team die nächsten Schritt zu gehen. Die Geschichte eines Nachwuchs-Big Mans, der auf und abseits des Parketts Köpfchen beweist und dem in Ulm ein besonderer Ruf vorauseilt.
Wenn der Sportliche Leiter der Ulmer Nachwuchsabteilung einen Vergleich zu John Bryant anstellt, dann horcht man in Ulm schon mal auf. „Er ist so etwas wie der John Bryant der NBBL“, hatte Artur Kolodziejski seinen Neuzugang Till Pape im Sommer umschrieben. Und tatsächlich sind es ähnliche Stärken wie beim ehemaligen Ulmer Center, die Pape in der letzten Saison zum effizientesten Spieler der Nachwuchs Basketball Bundesliga machen: Eine starke Präsenz unter dem Korb kombiniert mit einem weichen Händchen von außen – das kennt man doch in Ulm irgendwo her. Der 18-Jährige kann darüber nur schmunzeln: „Mit dem doppelten BBL-MVP verglichen zu werden, ist mir natürlich eine Ehre. Ich hoffe, Ulm wird für mich eine tolle Entwicklungsplattform – wie sie es auch für John Bryant war.“
Der John Bryant der NBBL
Die Grundlage seiner basketballerischen Entwicklung legt Till Pape vor gut 13 Jahren. Schon bevor er seinen fünften Geburtstag feiert, schnürt sich der Sohn zweier langjähriger Fans der Paderborner Basketballer zum ersten Mal die Sneaker – und hört nicht mehr damit auf: Von der U6 bis zur ProA durchläuft der gebürtige Paderborner in seiner Heimatstadt jegliche Altersklasse. Während die Schule immer mehr zum Selbstläufer wird – die siebte Klasse überspringt Till Pape –, geht es im Basketball steil bergauf. Der Nachwuchs-Big Man wird zweimal in Folge Deutscher Meister: 2011 mit der Paderborner U14, im Jahr darauf mit dem JBBL-Team der finke baskets. Doch noch steht er im großen Schatten eines prominenten Positionskollegens. Niklas Kiel bekleidet nicht nur vor Pape den Spot des Power Forwards, Kiel ist es auch, dem die Coaches in allen wichtigen Situationen das Vertrauen schenken. Till Pape sieht in der Crunch Time meist von der Bank zu. „Ich spielte über lange Zeit nur die zweite Geige“, beschreibt Till Pape die Situation, die sich erst im Sommer 2014 ändert.
Till Pape Fotos: Tobias Egle, Alexander Fischer
„Ich spielte immer nur die zweite Geige“
Kiel gilt mittlerweile als ein Talent mit Aussichten auf die NBA, nationale und internationale Topclubs stehen Schlange. Das Frankfurter Nachwuchsprogramm angelt sich schließlich die Dienste des Prospects. Erstmals seit der U14, als Kiel nach Paderborn wechselte, ist da keiner mehr, der Till Pape in den Schatten stellt. „Niklas‘ Weggang hat mir ganz neue Möglichkeiten eröffnet“, sagt er rückblickend auf die Saison 2014/2015, die Till Pape zu seinem großen Durchbruch verhilft. Im Paderborner NBBL-Team avanciert er zum Go-to-Guy, steht rund 35 Minuten auf dem Court, führt seine Mannschaft in Punkten (21,8) sowie Rebounds (11,2) an und glänzt mit einer Feldwurfquote von 57,5 Prozent. Der Paderborner Leader, der parallel als Leistungsträger der Regionalliga agiert und erste Einsätze im Paderborner ProA-Team feiert, wird mit der Nominierung zum NBBL-Allstar belohnt – und kurz darauf als effizientester Spieler (26,0) der gesamten Nachwuchs Basketball Bundesliga ausgezeichnet. „Till verfügt über ein sehr gutes Entscheidungsverhalten und unglaublich viel Spielintelligenz“, hat Artur Kolodziejski beobachtet. Doch nicht nur auf dem Court agiert Till Pape mit Köpfchen: Nebenher meistert der Nachwuchs-Leistungssportler das Abitur mit Bravour und beendet seine Schullaufbahn ganz nebenbei mit einem Notenschnitt von 1,6: „Die Schule fiel mir sehr leicht. Wenn Klausuren anstanden, habe ich mir den Stoff nach dem Training im Bett einmal durchgelesen.“ Kaum verwunderlich, dass Till Pape ein gutes halbes Jahr später das Gefühl hat: Es fehlt etwas für den Kopf.
Raus aus dem Schatten, rein ins Rampenlicht
Till Papes Fabeljahr bleibt nicht unbeachtet. Die Talentschmieden der Nation klopfen bei ihm an. Erst dann kommt Till Pape ins Grübeln. „Ich überlegte, ob es nicht Sinn machen würde, jetzt – direkt nach dem Abi -, meinem Traum nachzugehen“, so Pape, der erst nach den ersten Anfragen über eine mögliche Zukunft als Basketball-Profi nachdenkt. Er besucht Probetrainings in Frankfurt und in Ulm und entscheidet sich schließlich für die ratiopharm akademie als nächste Entwicklungsstation. Erstmals lässt der Abiturient im Sommer 2015 seine Heimatstadt hinter sich; erstmals hunderte Kilometer entfernt von der Familie; erstmals 100 Prozent Fokus auf den Basketball. Zum Start ins Profileben kommt der Grüne Winkel gerade recht. Im Nachwuchs-Haus der ratiopharm akademie lebt er gemeinsam mit fünf Jungs, die sich ebenso früh ihrer Liebe zum orangen Leder verschrieben haben. „Der Grüne Winkel ist eine tolle Alternative zur eigenen Wohnung. Hier hast du immer jemanden um dich rum“, schätzt Pape das Zusammenleben. Der einzige Unterschied zu den anderen Jungs: Die meisten besuchen noch die Schule. So übernimmt Till mit seinen 18 Jahren im Haus häufig die Rolle des Nachhilfelehrers. „Till ist ein sehr vorbildlicher junger Erwachsener und für sein Alter schon sehr weit“, hat Stefan Arnold, pädagogischer Leiter des Grünen Winkels bemerkt. Dabei liegen Mathe und Physik dem 2,04 Meter großen Youngster besonders gut. Nach den ersten Monaten als Vollzeit-Basketballer bemerkt Till Pape: Fünf bis sechs Basketball-Stunden, die paar Nachhilfe-Einheiten und sein Engagement für den Club in Schul-AGs und Camps reichen ihm nicht. „Nur Basketball war in den ersten Monaten ganz schön, aber ich merke immer mehr, dass ich zum Ausgleich etwas für meinen Kopf tun muss.“
Nachhilfe-Job im Grünen Winkel
Ein Mathe-Studium an einer Fernuni soll Abhilfe schaffen. Denn mit der Verwirklichung seines Basketball-Traumes hat Till Pape in der Donaustadt ja gerade erst begonnen: In seinem letzten NBBL-Jahr gehört er mit 20,8 durchschnittlichen Punkten wieder zu den Leistungsträgern der Mannschaft. 9 Rebounds pro Spiel und 40 Prozent Dreierquote unterstreichen seine Flexibilität à la John Bryant. Auch das Regionalliga-Team kann sich auf Pape als besten Werfer (16,6 Punkte pro Spiel) verlassen, für die Weißenhorn Youngstars sammelt er in bereits über 16 Minuten kräftig Spielpraxis in der Zweiten Basketball Bundesliga ProB.* „Till zeichnet sich durch sein großes Spielverständnis aus, was ihn zu einem unserer konstantesten und verlässlichsten Spieler macht“, zeigt sich sein Head Coach Danny Jansson begeistert. Und in dieser Saison hat der gebürtige Paderborner noch so einiges vor. In der Nachwuchs Basketball Bundesliga will er mit Ulm weit kommen. „Die Chance auf das Top Four ist auf jeden Fall da“, blickt der 18-Jährige optimistisch in die nahe Zukunft, in der er sich auch im Herrenbereich (ProB) etablieren möchte.
(Fotos: Tobias Egle, Alexander Fischer)
BBL? Nochmal ‘ne ganz andere Nummer
Apropos Herren: Jeden Donnerstag darf Till Pape bereits in John Dieckelmans Individualtraining mit den Bundesliga-Big Men hineinschnuppern. „Das ist noch einmal eine ganz andere Nummer“, zeigt sich der Youngster schwer beeindruckt von Rubit, Morgan und Co. – und setzt sich gleichzeitig doch ein ehrgeiziges Ziel: „Regelmäßig mit der BBL-Mannschaft zu trainieren – das ist etwas, was ich in meinen mindestens zwei Jahren in Ulm erreichen will.“ In seinem zweiten Jahr in Ulm ist „Big“ John Bryant bekanntlich als wertvollster Spieler der Liga ausgezeichnet worden.
*Statistiken bis zum 10.12.2015
(Weissenhorn Youngstars)